Eine neue Bremsscheibe – Darf’s ein bisschen mehr sein?

Der Winter naht in großen Schritten und so kam es, dass ich beim letzten routinemäßigen Bike-Check mir ein wenig mehr Zeit genommen habe als sonst und hier & da genauer hingeschaut habe, um zum Saisonende Bauteile zu identifizieren, die getauscht werden sollen / können / müssen. Heraus kam ein Upgrade auf eine 203 mm Bremsscheibe. Aber eins nach dem anderen…

So habe ich auch mal wieder meine 1) Schieblehre ausgepackt und die Dicke der Bremsscheibe gemessen. Zu meiner Überraschung habe ich die Vorderradbremsscheibe in dieser Saison unter die Verschleißgrenze von 1,5 mm gefahren. Dieser Wert ist (denke ich) nicht fix, sondern individuell je nach Hersteller. In meinem Fall ist dieser Wert auf der Shimano Bremsscheibe selbst aufgedruckt.

Ich habe dann immer die Gedanken: 1 zu 1 ersetzen oder lohnt sich ein Upgrade? Ich habe mich für ein Upgrade entschieden und möchte euch hier kurz erklären, auf was ich geachtet habe und wie ich zu meiner Entscheidung gekommen bin. Vorab möchte ich hier nur eins kurz klarstellen:

ACHTUNG! Ich bin kein Profi. Alles was ich hier schreibe, tue ich an meinem Bike auf meine eigene Verantwortung. Dieser Bericht erhebt keinen Anspruch auf Korrektheit und dient zur Dokumentation, wie ich an die Sache herangegangen bin. Dies ist keine Anleitung! Wenn sich trotzdem jemand daran orientiert, tut er dies für sich auf eigene Verantwortung! Ich kann keine Garantie und Haftung übernehmen. Die Bremse ist ein sicherheitsrelevantes Bauteil – wenn ihr keine Ahnung habt oder euch unsicher seid, geht zum Mechaniker eures Vertrauens!

Vor- / Nachteile einer 203 mm Bremsscheibe

Warum baut man sich eine größere Bremsscheibe an das Rad? Was soll das bringen?

Die Antwort ist einfach: Es bremst besser und man steht im Notfall schneller. Doch warum ist das so?

Zum einen hat man neben einer größeren Bremsfläche von ~ 12,5 % (bei Wechsel von 180 mm auf 203 mm) und mit einer größeren Scheibe auch mehr Masse, in der sich die beim Bremsen entstehende Wärme verteilen kann. Somit wird die Scheibe erst später heiß und man kann somit das „Fading“ verhindern bzw. verzögern. „Fading“ ist englisch und bedeutet „nachlassen“ oder „abklingen“. Es bezeichnet bei Bremsen das Phänomen der nachlassenden Bremskraft bei einer heißen Bremse. Denn je höher die Temperatur, desto niedriger der Reibwert. Dadurch erhöht sich die benötigte Kraft, um das Bike abzubremsen.

Größeren Scheiben wird auch eine bessere Dosierbarkeit nachgesagt. Da ich aber wohl zu den Grobmotorikern gehöre, kann ich ehrlicherweise zwischen 180 und 203 mm Bremsscheibe keinen spürbaren Unterschied feststellen. Von 160 auf 203 oder gar 220 mm mag das evtl. anders sein.

Dann kommen noch kleinere Faktoren dazu, wie z.B., dass bei einer größeren Scheibe die Bremskraft weiter am Radäußeren greift und dadurch eine bessere Hebelwirkung auf das Rad vorhanden ist. Dazu aber später mehr…

Natürlich gibt es nicht nur Licht, sondern auch Schatten. Also möchte ich die Nachteile nicht unter den Tisch fallen lassen.

Zum einen wäre da das Gewicht. Eine 203 mm Scheibe wiegt mehr als eine 160 mm – logisch, doch wie viel genau?

Am konkreten Beispiel einer Shimano RT-66 Bremsscheibe sieht das Gewicht wie folgt aus *:

160 mm115 g
180 mm139 g
203 mm17 9g
* Gewicht lt. Herstellerangaben

Des Weiteren neigen größere Scheiben dazu, sich leichter zu verziehen und dadurch zu schleifen oder „klingeln“.

Da meine Bremsen bei meinen 0,1 t gut zu tun haben und ich eher im Touren und Trailbereich unterwegs bin, überwiegen für mich die Vorteile die Nachteile, weshalb ich mich für eine 203 mm Bremsscheibe entschieden habe.

Die richtige Bremsscheibe finden

Wie finde ich nun die richtige Bremsscheibe? Da gibt es einiges zu beachten und man kann schnell mal die falsche Scheibe wählen, weshalb ich hier kurz ausführen möchte, was man alles beachten sollte.

Darf ich überhaupt?

Hierfür solltet ihr zwingend die Freigaben der Federgabelhersteller beachten. Es gibt auch Rahmen, die nur für eine gewisse Scheibengröße freigegeben sind.

Deshalb gilt: Erst einmal die Handbücher oder Hersteller-Webseiten durchsuchen. In meinem Fall hat die Marzocchi Bomber Z2 für 29″ Laufräder eine Freigabe von max. 203 mm. Das heißt für mich, dass die Kräfte die z.B. eine 220 mm Scheibe beim Bremsen auslösen für die Gabelkonstruktion zu viel sind. Für das Giant Trance 29 konnte ich keine Einschränkungen finden.

Aufnahme: 6 Loch oder Centerlock?

Schaut bei euch auf eure Nabe. Ist die aktuelle Bremsscheibe mit Schrauben befestigt, benötigt ihr eine 6 Loch Scheibe. Beim Centerlock System hat die Scheibe in der Mitte eine Verzahnung, die auf die Nabe gesteckt und mit einem Ring gekontert wird. Wie so oft, gibt es aber auch Adapter von 6 Loch auf Centerlock, falls ihr doch die falsche Scheibe bestellt habt.

Bremsbeläge: Organisch oder (semi) metallisch?

Es gibt weichere, organische Bremsbeläge auf Harzbasis (Resin) oder metallische Beläge (gesintert). Je nachdem welche Beläge ihr fahrt, ändert sich auch das Scheibenbremsen-Design. Scheiben für organische Beläge haben viele kleine Öffnungen, während Scheiben für gesinterte eher große Öffnungen haben. Dies als grobe Orientierung. Im Detail seht ihr es an der Herstellerbeschreibung, für welche Beläge die Scheibe freigegeben ist.

Der richtige Adapter für den Bremssattel

Da die Scheibe größer ist, muss natürlich auch der Bremssattel weiter nach außen wandern. Hierfür benötigt ihr einen Adapter. Auch hier gibt es verschiedene Typen:

IS Aufnahme (International Standard): Diese ist ein wenig älter und daran zu erkennen, dass man die Schrauben für den Bremssattel seitlich schraubt (Parallel zur Achse)

PM Aufnahme (Post Mount): Der modernere Standard und daran zu erkennen, dass man die Befestigungsschrauben 90° zur Achse eindreht.

„Ab Werk“ werden verschiedene PM Standards an den Gabeln verbaut. Bei Mountainbikes meistens PM 6″, was einer Scheibengröße von 160 mm entspricht. PM 7″ sind 180 mm Scheiben und PM 8″ sind 200/203 mm Scheiben. Falls der Radhersteller das Rad mit z.B. 180er Scheiben ausliefert, ist dort in der Regel bereits ein PM6″ auf PM7″ Adapter verbaut.

In meinem Fall benötige ich einen PM6″ zu PM 8″ Adapter, um mein Vorderrad mit der größeren Scheibe ausstatten zu können. Damit dann der Bremssattel entsprechend nach außen wandern. Beim Bestellen müsst ihr darauf achten, dass es teilweise spezielle Vorderrad (VR) und Hinterrad (HR) Adapter gibt.

PM Adapter – Wie man sehen kann, steht die obere Schraube über. Diese ersetze ich noch mit einer kürzeren.

Sollte jemand mit dem Gedanken spielen mehrere Adapter zu kombinieren, ist meine klare Empfehlung: Lasst es!

Montage der 203 mm Bremsscheibe

Hat man nun die richtigen Teile in der Hand, ist das Schwerste schon fast geschafft. Die Montage kann mit folgender 20 Punkte Checkliste abgearbeitet werden. Ich habe dafür ca. 15 – 20 Minuten benötigt. Bitte achtet darauf, die Scheiben nur innen anzufassen und nicht im äußeren Bremsbereich.

  1. Handschuhe anziehen, da der Bremsabrieb sehr schnell zu schwarzen Fingern führt.
  2. Vorderrad ausbauen
  3. Bremssicherung zwischen Bremsbeläge einstecken, damit man nicht aus versehen die Kolben zusammendrückt (oder man lässt es – no risk no fun)
  4. Demontage Bremssattel inkl. altem Adapter
  5. (optional) Reinigung aller Stellen, an die man sonst nicht ran kommt
  6. Montage neuer Adapter (Ich habe diesen mit 7 Nm angezogen)
  7. Demontage und Kontrolle der Bremsbeläge
  8. Bremssicherung entfernen
  9. Zurückdrücken der Bremskolben in das Bremsgehäuse mittels eines Reifenhebers oder ähnlichem
  10. Montage der (evtl. neuen) Bremsbeläge
  11. Montage Bremssattel auf dem Adapter (Nur locker anziehen, der Sattel sollte sich noch bewegen können)
  12. Demontage der alten Scheibe:
    6 Loch: Schrauben und Unterlegscheiben entfernen und entsorgen
    Centerlock: Ring mittels Innenlagerschlüssel lösen
  13. (optional) Reinigung aller Stellen, an die man sonst nicht ran kommt
  14. Neue Scheibe auflegen und dabei die Angabe „<- Rotation“ auf der Scheibe beachten!
  15. Bei 6 Loch Scheiben die mitgelieferten Schrauben und Unterlegscheiben verwenden! Bei den Unterlegscheiben gibt es bei Shimano eine „UP“ Markierung. Schrauben mit TX25 mit ca. 3-4 Nm über Kreuz festziehen. Bei Centerlock einfach den Ring aufsetzen und mit ca. 40 Nm anziehen.
  16. Reifen in die Gabel einbauen und Bremsscheibe vorsichtig zwischen die Beläge einführen.
  17. Kontrolle, ob die Bremsbeläge auch vollständig auf der Reibfläche laufen
  18. Wenn alles passt, die Vorderradbremse betätigen und das Vorderrad fixieren.
  19. Mit gezogener Bremse den Bremssattel mit ca. 7 Nm am Adapter festziehen
  20. Bremse loslassen und kontrollieren, ob die Scheibe ordentlich ausgerichtet ist und frei läuft. Falls nicht, Schrauben lösen und ab 18. wiederholen.

Nach der Montage ist es notwendig, die neue Scheibe „einzubremsen“.

Größenvergleich: alte 180mm links, neue 203mm rechts

Material & Werkzeug

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One thought on “Eine neue Bremsscheibe – Darf’s ein bisschen mehr sein?

  1. Super Artikel! Hat mich inspiriert meine billigen Tektro Bremsscheiben gegen größere und vor allem auch DICKERE „Trickstuff Dächle Heavy Duty“ auszutauschen.

    Passt denn wirklich jede Scheibe in die vorhandenen Bremssättel? In meinem Fall handelt es sich um Tektro Gemini HD-M520.

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